Körper, wir müssen reden …

Lieber Körper,

wir müssen reden.

Ich weiß, wir haben kein gutes Verhältnis in den letzten Jahren gehabt. Ich habe dich – wenn ich ehrlich bin – ziemlich scheiße behandelt.

Ich war verdammt ungeduldig mit dir und habe alle meine schlechten Tage an dir ausgelassen. Alle meine Launen musstest du ertragen. All meine Fressattacken und Diäten hast du über dich ergehen lassen. Doch gedankt oder gewertschätzt habe ich dich nie.

Als ich jünger war, habe ich dich sooft mit anderen Körpern verglichen und dir vorgeworfen, dass du zu fett bist. Manchmal habe ich dich sogar ein wenig gehasst. Denn ich war damals der Vorstellung, dass mein Leben anders wäre, wenn du anders wärst. Dann würde man MICH endlich sehen. Man würde mich endlich wertschätzen.

Man(n) würde mich attraktiv finden.

Ich am Strand (2014)

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann schäme ich mich dafür. Ich schäme mich, was ich dir angetan habe und vor allem wie ich zu dir geredet habe. Wäre ich so zu einem meiner Freunde gewesen, dann hätte ich diesen Freund schon lange nicht mehr.

Denn, wer würde so etwas über sich ergehen lassen?

Du hast es. Du alleine hast alles ertragen, was ich dir angetan habe.

Du warst all die Jahre immer für mich da. Wie ein Anker in meinem Leben. Jemanden, auf den ich mich verlassen konnte. Egal, wie scheiße ich dich behandelt hatte.

Doch du hast mir Kraft gegeben. Du hast mich durch meine Verletzungen gebracht, hast dich immer wieder auf’s Neue geheilt und mir gezeigt, dass ich zu so viel mehr fähig bin.

Mit dir habe ich meinen ersten 10km unter einer Stunde laufen können.

Mit dir habe ich bewiesen, wie tough ich bin, als wir zusammen ein 21km Hindernisrennen gelaufen sind. Und das sogar noch in einer richtig guten Zeit und ohne völlige Erschöpfung!

Du hast mich im Volleyball zu einer guten Stellerin gemacht. Jemand, der schnell reagieren kann und sich dem Ball entgegen wirft. Egal, wie hart der Aufprall sein wird. Egal, ob man ihn nun erreicht oder nicht. Aber der Wille ist da! Das war schon immer.

Du hast mit mir auf so vielen Parties getanzt und andere angesteckt mit deinen Freestyle-ich-bewege-mich-einfach-zur-Musik-und-hab-Spaß. Ja, wir waren das ein oder andere Mal definitiv die “Dancing Queen”.

Während dem Training für den Tough Mudder (Links), beim „The Baseballs“ Konzert (rechts oben) und beim Volleyball spielen (rechts unten)

Trotzdem habe ich mich lange für dich geschämt. Besonders im Sommer, wenn ich dich nicht verstecken konnte.

Ganz schlimm war es, wenn wir baden gegangen sind oder am Strand waren. Ich habe nur Makel gesehen und nicht anerkannt, was für ein Badass du eigentlich bist. Nein, stattdessen habe ich mich geschämt und die anderen um ihre Körper beneidet.

Und wenn ich bemerkt hatte, dass ich zugenommen habe, dann habe ich dich dafür verurteilt. Ich habe behauptt, dass du nicht richtig funktionierst. So viele Diäten, aber trotzdem blieb das Gewicht!?

“Was stimmt nicht mit dir?! Warum nimmst du nicht ab?! So eine Scheiße!”

Am Strand in Barcelona

Doch wer ist hier der wahre Schuldige? Wer schiebt ungesundes Essen in dich rein und bewegt dich nicht ausreichend?

Wer gibt dir aber dann für jedes neue Fettpölsterchen die Schuld?

Wer verlangt, dass du ständig Leistung bringen musst? Und wer wird wütend, wenn du aber nicht ständig 100% geben kannst? Wer wird frustriert, wenn du schon wieder so erschöpft bist?

Ich. Nur ich.

Nicht du.

Und ich schäme mich dafür.

Ich fühle mich schuldig und du hast es sicherlich nicht verdient, dass jemand so mit dir redet oder dass dich jemand so behandelt. Daher werde ich dir hiermit versprechen, dass damit jetzt Schluss ist!

Ab sofort werde ich dich liebevoll behandeln. Ich werde dir gut zureden. Ich werde dich pflegen. Ich werde gut zu dir sein.

Denn du hast es verdient, geliebt zu werden. Du hast es verdient, dass ich mich um dich kümmere und nicht andersherum.

Ab sofort bist du mein bester Freund und nicht mein Feind.

Danke, dass du es solange mit mir durchgehalten hast und du mich durch das Leben getragen hast. Ich werde es wieder gut machen für den Rest unseres Lebens.

Deine Jule


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One response to “Körper, wir müssen reden …”

  1. Sehr schön gesagt!

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