Jetzt sitze ich hier. Mitten in einem Kaffee in Burnaby, einem Stadtteil von Vancouver, und kann es immer noch nicht fassen!
ICH BIN IN KANADA! Ich habe es getan!
Ich habe alles abgebrochen in Deutschland und bin nach Kanada gekommen. Unglaublich …
“Du kannst aber wieder bei deinem Arbeitgeber anfangen, wenn du zurückkommst, oder?”, fragt meine Oma mich nochmal, als wir beim Abendessen sitzen. Einen Tag vor meinen Ablfug. Sie schaut mich besorgt an, doch ich lächle.
“Und in deine Wohnung in München? Kannst du da zurück? Die war doch so schön! So eine kriegst du nicht wieder!”, gibt sie zu bedenken. “Du kannst da ja wieder einziehen, oder? Da gibt es doch sicherlich ein Plätzchen für dich.”
Ich lächle weiterhin, müde von den ständig gleichen Fragen, von denen sie doch bereits die Antworten kennt. Meine Oma hält inne. Sorge und Bedenken werden in ihren glasigen Augen immer sichtbarer. Ihre Falten um die Augen und den Mund immer tiefer. Sie runzelt die Stirn, während sie mich aufmerksam mustert. Auf der Suche nach denselben Ängsten, Bedanken und Sorgen, die sie verspürt. Aber sie findet nichts davon.
“Wie lange bist du dort?”, fragt sie, obwohl sie die Antwort kennt.
“Ein Jahr”, seufze ich. “Und dann mal schauen …”
“EIN Jahr! Danach kommst du aber schon wieder heim?! Oder?”
Ich zucke mit den Schultern und sie schaut mich weiterhin mit diesem typischen besorgten Omagesicht an. Ich warte darauf, dass sie mich anfleht, hier zu bleiben. Warum wollte ich auch so weit weg? Auf einen anderen Kontinent!? Konnte ich nicht einfach nach England?
“Du kommst schon wieder zurück, oder?”, fragt sie leise. Ich schaue sie an.
“Ich weiß nicht, Oma”, meine ich und lächle aufmunternd. “Ich weiß nur, dass ich das tun muss. Mein Herz sagt, dass ich raus muss. Aber keine Ahnung, was dann in einem Jahr ist. Das kann ich dir nicht sagen.”
“Und hast du schon eine Wohnung dort?”
“Nein.” Angst glitzert in ihren trüben Augen und ihr Gesicht entgleist ihr ein wenig.
“Oh … und einen Job?”, wagt sie kaum zu fragen.
“Nope. Das suche ich mir dann alles noch, wenn ich dort bin.”
Meine Oma nickt abwesend. In mir kommt die Hoffnung hoch, dass sie vielleicht endlich verstanden hatte. Dass sie es vielleicht endlich akzeptieren würde und sich aufrichtig für mich freuen würde.
Nach einen Moment des Schweigens fokussiert sie sich wieder auf mich. Ich sehe ihren Blick und meine Hoffnung zerbricht. Nein, sie hat es nicht verstanden.
Dann fängt der Sorgenteufelskreis wieder von vorne an.
Immer wieder hat sie mir dieselben Fragen gestellt in den letzten Monaten. Seit sie wusste, dass ich gehe. Immer wieder hat sie mich mit ihren Sorgen und Ängsten konfrontiert.
Natürlich meint sie es nur gut. Sie sorgt sich eben …
Ich versuche es ja zu verstehen, Oma! Wirklich!, denke ich mir.
Aber warum versuchst du nicht, mich zu verstehen?
Ich weiß, dass du mir vertraust.
Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, weil du mich liebst und nur das Beste für mich willst.
Aber warum kannst du mir statt Sorgen und Bedenken nicht Zuversicht und Mut schenken?
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